OnlineItalien 05.2024

ITALIEN 7 OBJEKTOPHIL HILFT VIEL •••Die für die fortschreitende Entfremdung der Menschen untereinander oft als ursächlich betrachtete technische Entwicklung sollte nicht per se verteufelt werden. Immerhin ist es dank der inzwischen standardisierten Autoinstallation vieler Elektrogeräte nun auch Kontaktscheuen, Einsamen oder Sozialphobikern möglich, mit ihrem Thermomix oder Saugroboter in den Genuss eines Stelldicheins zu kommen. Daniel Sibbe EIN KANNIBALE... •••geht in ein Museum und legt, wie andere etwa Presse- oder Behindertenausweise, seinen Kannibalenausweis an der Kasse vor. „Kannibalenausweis. Und was soll ich jetzt damit?!“ „Ich dachte, Kannibalen haben vielleicht freien Eintritt“ „Nein. Ich finde das ehrlich gesagt auch nicht lustig.“ „Oh weh, ich wollte sie nicht verletzen oder verärgern und bitte um Entschuldigung. Hier also, 6 Euro, der volle Preis.“ „Danke. Ihre Jacke und ihre Tasche können Sie dort hinten in ein Schließfach einschließen. Die sind kostenlos.“ „Für Kannibalen?“ „Für alle…“ Benjamin Weissinger NACH TAGEN DER ENTHALTSAMKEIT... •••wieder ein Stück Fleisch zu essen, das ist wie nach langer Zeit nach Hause kommen; da steht die Mutter in der immer etwas blutigen Schürze im abendlichtdurchfluteten Türrahmen, Vater legt das Stechmesser beiseite, und sie schließen dich in ihre Arme, die nach Brät, Schweiß und Liebe duften. Und dann bereitet Mutter dir wie so oft eine Schweineleber zu, groß wie ein Abtrittsdeckel, und der Duft nach Bauchinnerem und Röstaromen füllt die gekachelte Stube. Verlegen drehst du immer noch das Bündel Möhren in der Hand, das du von deiner Irrfahrt mitgebracht hast, doch Vater lacht in seinem vertrauten, kehligen Bass: „Die brauchst du jetzt nicht mehr. Du weißt ja, wo der Kompost ist!“ Und du trittst versonnen in den dämmernden Garten, an den Kompost, wo Weißkohl und Pastinaken vergangener Reisen ruhen. Dann führt dein Weg dich wieder ins Haus, wo neue Leber auf dich wartet. Martin Knepper michael r. ludwig

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