OnlineItalien 05.2024

6 ITALIEN Ghost Busters in New York: Feste, feste und immer auf die Kleinen 1968 war Werner Herzog einer der einfachsten Herrschaftstechniken auf die Spur gekommen, und er verewigte in seinem Film „Auch Zwerge haben klein angefangen“ den sozial heilsamen Effekt, wenn irgendjemand – möglichst unschuldig und wehrlos – eine Abreibung verpasst bekommt. Die Umstehenden fühlen eine kathartische Reinigung, so von innen, einen leichten Schauer. Schwupps, läuft die Gemeinschaft wieder wie geschmiert oder jedenfalls hat man den Eindruck, die ordnende Hand habe ein- und durchgegriffen. In der Politik ist so was vor allem dann nützlich, wenn die Umfragewerte im Keller sind und Wahlen anstehen. So auch in New York City, wo die Administration von Eric Adams nicht sonderlich beliebt ist, die Wahlurnen gerade entstaubt werden und sich entsprechend ein großer Druck aufgebaut hat, „was zu tun“. Zu tun gäbe es viel, doch die allermeisten Bretter sind entweder riesig dick oder sie genießen Bohrschutz durch irgendeine Lobby-Gruppierung. Keine wirkliche Interessenvertretung haben Auslieferungsfahrer für DoorDash, Uber Eats, ChowNow, GrubHub, Deliveroo oder die vielen anderen Services, die dem New Yorker das Kochen mit dem Telefonbuch so komfortabel machen. Ein wenig Trinkgeld in die Hand des Auslieferungsfahrers, das sollte als Dank ja reichen. Wir alle haben mal klein angefangen und vielleicht läppert sich das Trinkgeld ja zu einer größeren Summe, vielleicht sogar so viel, dass er die Schulden beim Schleuser abbezahlen kann und den Kredit für das elektrische Fahrrad oder den elektrischen Roller, ohne die der Job nicht zu bewältigen wäre. In New York, da musst du fix sein als Auslieferungsfahrer, Zeit ist Geld, da kannst du nicht auf rote Ampeln schauen, Einbahnstraßenschilder, Passanten auf dem Gehweg. Nur passieren sollte nichts, dann wäre die Existenz gefährdet und damit auch der Lebensunterhalt derjenigen, für die der Auslieferungsfahrer seine abenteuerliche Reise nach New York City angetreten ist. Unzählige Fast-Zusammenstöße mit Passanten lassen deren Blutdruck hochschnellen, denn diese elektrischen Dinger sind ja wirklich leise. Ghost Riders heißen sie wegen ihrer fast gespenstischen Omnipräsenz im New Yorker Volksmund und sie sind solange sehr unbeliebt, bis man auf die Auslieferung eines bestellten Essens wartet, also nicht so häufig. Die Wahlkampfstrategen von Eric Adams haben ein wenig den politischen Rechenschieber betätigt und waren zum Schluss gekommen, sich mal dem Problem der Ghost Riders zu widmen, brutalstmöglich, damit die Presse das nur ja nicht ignoriert. Die fette Schlagzeile hatten sie gleich mit ausgerechnet und den Pressefuzzis gesteckt: Die Stadtverwaltung wolle gemeinsam mit dem Police Department of New York (PDNY) als Ghost Busters das Problem der Ghost Riders lösen und am leichtesten löst man Probleme, indem man auf die Kleinen draufhaut. Na ja, richtig draufhauen geht nicht mehr, schon gar nicht vor laufenden Kameras. Aber ihre Fahrzeuge beschlagnahmen, sie auf einen LKW verladen, nach New Jersey verbringen und dort in eine Schrottpresse stecken, das geht schon. Endlich tut mal jemand was gegen diese saugefährlichen Ghost Riders, das war der Tenor der öffentlichen Reaktionen. Im Stillen und vermutlich jeder für sich, werden die um ihren Job gebrachten ehemaligen Auslieferungsfahrer so gejammert haben, als hätten sie in der Tat die Hucke voll bekommen. Hoffentlich zeigen sich ihre Gläubiger etwas nachsichtiger als die New Yorker Stadtverwaltung.

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