OnlineItalien 12.2024

6 ITALIEN AI Goes Sentinent: New York macht Künstliche Intelligenz menschlicher Der heilige Gral der Entwickler von Computersystemen ist es, Menschlichkeit vorgaukeln zu können, also Gefühle, Neurosen, Phantasie, Kalauer, Witz und vieles mehr von dem, was Italien-Leser*innen von Ataris oder Macintoshs unterscheiden. Alan Turing, einer der Computerpioniere, hatte sich dazu mal einen Test einfallen lassen, den Turing-Test. Das ging Jahrzehnte gut und nur gelegentlich verliebte sich eine Filmfigur in eine Maschine. Mittlerweile ist das aber völlig aus dem Ruder gelaufen und im Wesentlichen lassen sich zwei Schuldige ausmachen: Die Video-zockenden Kids und Google. Die Kids wollten für ihre Ballerspiele immer leistungsfähigere Grafikkarten in den Computern und haben damit den Preis einer elektronischen Rechenoperation fast gegen Null getrieben. Google wollte das Problem von Übersetzung knacken und dachte sich angesichts der um Faktor Zehntausend gefallenen Kosten für Rechnerleistung: Dann lass uns doch einfach mal in die Nähe der Vereinten Nationen ziehen, dort alle Übersetzungen seit Gründung der VN aufsaugen, einen gut gestrickten Algorithmus drüber laufen und schauen, ob das brauchbare Ergebnisse liefert. Es lieferte erstaunlich brauchbare Ergebnisse und das erste Large Language Modell (LLM) war geboren. OpenAI, 2015 in San Francisco als gemeinnützige Organisation gegründet, nahm diesen Ball auf, dribbelte eine Weile weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, versetzte diese dann aber im Herbst 2022 mit der Veröffentlichung von ChatGPT in helle Aufregung. Seither wissen Lehrer*innen nicht mehr, ob sie nun von ihren Schüler*innen genderkonform angesprochen werden oder von ChatGPT oder vergleichbar leistungsfähigen LLMs. Die gibt es mittlerweile von allen möglichen Anbietern und der Wettbewerb um Kundschaft ist entsprechend hart oder besser gesagt weich. Möglichst weich, also irgendwie kuschelig soll sich ja das LLM im Umgang mit dem Menschen anfühlen, es soll sich einfühlen können und verstehen, selbst dort, wo sich der Mensch selbst gar nicht so richtig versteht. So wie ein Shrink, die USamerikanische Bezeichnung für alle Menschen, die im weiten Feld der Psychoanalyse, -therapie und Gesprächstherapie unterwegs sind. Davon gibt es in New York City mehr als Ratten, behauptet der Ratten-Zar der New Yorker Stadtverwaltung. Ob das stimmt oder nicht, Google ist es egal und Microsoft ebenfalls. Microsoft hatte sich zusammen mit Nvidia, dem Hersteller der Chips für die Gamer-Kids, bei OpenAI mit dem Ziel eingekauft, in künftigen Versionen des Betriebssystems Windows ein LLM mit Namen CoPilot einzuflechten. Co-Pilot (gender-neutral) soll sich dann um allen Scheiß kümmern, Steuererklärung machen, Theaterkarten besorgen, danach einen Tisch im angesagten Italiener um die Ecke, am Donnerstag Termin beim Shrink. Va bene, nur dass Google Platzhirsch in der City ist und schon längst einen Deal mit der American Psychoanalytic Association (APsA) zur exklusiven Nutzung der zur Verfügung stehenden Daten abgeschlossen hat. 700 Petabyte an Gesprächsprotokollen aus therapeutischen Sitzungen (eigentlich Liegungen, Sie wissen ja, die Couch), natürlich mit allem Personenbezogenen geschwärzt, aber eine schier unerschöpfliche Fundgrube für jedes LLM. Wir gehen mal davon aus, dass die APsA den Datenschatz nicht nur einmal verkaufen wird, Exklusivitätsversprechen hin oder her, und dass uns Co-Pilot bei der Bitte um Reservierung von Theaterkarten fragen wird: Und, wie haben Sie sich dabei gefühlt?

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