ITALIEN 9 Ab sofort gibt’s für ein 50 € ITALIEN-Förder-Abo eine Prämie! Ein Jahr ITALIEN plus „Wo ist mein Kopf?“ von Elias Hauck. ITALIEN-ABO: 25 Euro / 50 Euro (Buchprämie) Super- Förder-Abo 100 Euro und mehr (Buchprämie + Überraschung) IBAN DE 46 3305 0000 0000 9048 47 - Adresse nicht vergessen! Kinder jeden Alters… •••ziehen täglich auf der Straße vor meinem Fenster vorbei. Gerade eine etwa Zweijährige, die ein ganzes Stück hinter ihrem nun, vielleicht Großvater herdrömelt; plötzlich geht sie in die Hocke, dann auf die Knie, und beginnt, etwas Kleines auf dem Pflaster aufzupicken oder zu verschieben, auf die Entfernung kann ich es nicht sehen, Sand, Ameisen oder einfach Dreck. Das absorbiert schlagartig ihre ganze Aufmerksamkeit, der Mann hat es im Vorausgehen erst nicht bemerkt, jetzt kehrt er zurück zum Kind, schaut ihm kurz bei seiner konzentrierten Sortierarbeit zu, sagt etwas, will es zum Weitergehen animieren, alles verläuft auf ruhige, freundliche Art. Aber das Kind macht zunächst ungerührt weiter, der Mann geht wieder ein paar Schritte voraus auf dem geplanten Weg, jetzt schaut das Kind hoch, steht moderato auf, nicht zögerlich, auch nicht überfolgsam, geht ein paar Schritte, alles scheint wieder im Tritt, da bleibt es stehen, scheint sich zu besinnen – dann setzt es sich zu Boden und stimmt ein jammervolles, schrilles Geheul an. Hätte ich nicht die Situation sich entwickeln sehen, aus dem Stand hätte ich bei dem Grad der Verzweiflung auf ein schmerzhaftes Hinfallen oder eine andere der täglichen Mikrotragödien der Kindheit getippt, doch es ist ein Brüllen aus Entscheidung. Der Alte steht dabei, dringt mit Worten nicht durch, reicht dem Kind irgendwann die Hand, die es bereitwillig nimmt, aufsteht, und immer noch laut weinend, aber dennoch aufs Gehen fokussiert, aus meiner Sicht verschwindet. Das Klagen höre ich noch eine ganze Weile, so weit, wie eben der Schall trägt. Solche Szenen kann ich immer wieder beobachten von meiner unverlangten Warte aus, auch die ein paar Jahre älteren, gänzlich in sich versunkenen Schulkinder, um die eine unsichtbare Blase gesponnen scheint – es sind nicht wirklich viele, die meistens scheinen von den Eltern gefahren zu werden, wenn ich den Verkehr um halb acht morgens und seine Fracht so sehe. Diese frühen Jahre der Kindheit, die einstelligen Jahre, sie scheinen angefüllt mit Trancen und Absencen, zyklischen Pendelausschlägen und vor allem einer absoluten Unbedingtheit des Anspruchs, in sich, bei sich zu sein, zuweilen ausgeliefert an Träume, deren Lenker, aber auch Gelenkte sie allein sind. Und da denke ich dann, dass all die Drogen, die wir uns später in die Köpfe hämmern, Söhnchens Hasch und Vater Korn, Mutters Benzos und die Billiarden Minuten Film und Musik, die als dullglitzernder Strom durch die Köpfe rauschen, ob diesem allem nicht eine Sehnsucht zugrunde liegt, jenes sich selbst Gehören bei gleichzeitigem sich Verlieren, Welteroberung und Weltvergessenheit in einem wiederzufinden, all die künstlichen Hämmer auf die zu groß gewordenen Köpfe aus dem Wunsch, einmal wieder in einem Häufchen Dreck auf der Straße ein ganzes Universum finden zu können. Martin Knepper renke brandt
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