6 ITALIEN Splitting the Penny: Amerika packt den Eierschneider wieder aus Es sollte ja alles besser werden am 20. Januar 2025. Amerika würde mit dem Amtsantritt von Donald Trump wieder groß werden, was grau war, würde golden überhaucht sein, die Dunkelheit würde dem Licht weichen und das Ei – InflationsMenetekel unter Joe Biden – auch für die vielen Menschen mit den MAGA-Kappen wieder erschwinglich. Daraus wurde nichts. Das Ei, es ist in den USA vielmehr noch als Klopapier ein Symbol für Wohlstand und weder das eine, noch das andere wird geteilt. Ja, es gab auch Zeiten der Not. In amerikanischen Notzeiten waren Vorrichtungen in Gebrauch, mit denen das eine Ei der täglichen Lebensmittelration auf gleichmäßige Scheiben geschnitten werden konnten, damit alle um den Küchentisch versammelten hungrigen Mäuler gerecht bedient waren. Ob sich das Gerät auch zum Zerteilen von Klopapier eignet, spielt jetzt keine Rolle. Eine Rolle spielt aber, ob so ein amerikanischer Haushalt einen Eierschneider besitzt und wenn ja, wie verschämt man angesichts des Besitzes eines Eierschneiders ist. So verschämt jedenfalls, dass es im Amerikanischen gar kein Wort dafür gibt. Man hat einfach das Ding von den deutschen Einwanderern genommen und es genauso bezeichnet, wie die Deutschen, nämlich Eierschneider. Als ein U-Boot der deutschen kaiserlichen Kriegsmarine 1915 die RMS Lusitania versenkte und die USA zwei Jahre später zum Kriegseintritt gegen Deutschland brachte, war es mit der deutschen Sprache in Amerika so eine Sache. Sie wurde, wie der Eierschneider, eher versteckt, man schämte sich beider. In der „Great Depression“ nach dem Börsenkrach 1929 hatte der Eierschneider – anders als die deutsche Sprache und Kultur – in den USA zwar eine kurze Renaissance, doch bald war auch der zweite Weltkrieg vorbei und die Kaufkraft durchschnittlicher Amis machte das Zerteilen von Eiern schnell wieder überflüssig. Die Dinger verschwanden in Rumpelkammern gemeinsam mit der Redewendung „to slice an egg“ als Ausdruck dafür, selbst klitzekleine Kleinigkeiten unter mehreren Menschen aufteilen zu müssen. Dafür kam die Redewendung „splitting the penny“ in Gebrauch, also wenn es irgendwo mal knapp wurde. Zum vorläufigen Schluss kam Trump und sein Versprechen, die Preise für Eier im Supermarkt wieder zu senken. 70 Millionen Menschen glaubten ihm und sind nun ganz enttäuscht, dass Eier nicht billiger, sondern schon wieder teurer geworden sind. Waffle House, eine Kette von Fast Food-Läden, nimmt mittlerweile pro Ei einen Aufschlag von 50 Cents und beim Super Bowl Anfang Februar war nicht nur Jubel zu hören, als der Stadionsprecher auf die Anwesenheit des US-Präsidenten hinwies. Noch weniger beliebt scheint allerdings Elon Musk zu sein, der von Trump damit beauftragt wurde, Einsparpotenziale im US-Bundeshaushalt zu finden, damit Milliardäre in den USA noch ein wenig mehr von der Steuerlast befreit werden können. Einen Fund hat Musk schon gemacht, nämlich den Penny. Davon sind etwa 240 Milliarden im Umlauf, 480 Milliarden wären es, wenn wir sie alle in jeweils zwei Teile zerlegten. Dazu wird es nicht kommen, denn Pennys im Umlauf zu halten ist deswegen so teuer geworden, weil niemand mehr mit Pennys bezahlen mag, aber auf Wechselgeld besteht, wenn der Riegel Snickers $1,99 kostet. Sind die Pennys in absehbarer Zeit verschwunden, lassen sie sich auch nicht mehr splitten und das Zerschneiden von Eiern wird dann wieder ins Zentrum rücken, wenn man sagen will: Früher war doch mehr Lametta! Das Gerät zum Zerschneiden von Eiern, der Eierschneider, muss wohl mit Einwanderern aus Barmen oder Elberfeld in die Neue Welt gekommen sein, denn die Goethe-Institute in den USA und Kanada haben derzeit ihre liebe Mühe damit, ihren Sprachschüler*innen beizubiegen: Es heißt Eierschneider und nicht Eioschneido.
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