OnlineItalien 10.2023

ITALIEN 15 DIE PHÄNOMENE DES DR.DUDROP Buch Jule Falk Andreas Funke, Gedichte Juliane Steinbach, Holzschnitte Laubsägefisch/ Maritime Seelen Selbstverlag Format 24 x 31 cm 40 Seiten 45 Euro Auflage 200 ISBN 978-3-9824801-0-7 steinbach@kuester-steinbach.de Heute: Zur Phänomenologie des Orthopäden thogonal zurechtrückt, jetzt aber soll er zuhören, empathisch sein und verständnisvolle Reden führen. Und zu allem Überfluss noch Massagen verordnen, Pillen verschreiben und Krankengymnastik veranlassen, auf dass die krummen Senioren wieder einen aufrechten Stand einnehmen und in die Gefilde jugendlicher Leidenschaftlichkeit zurückkehren können. Doch damit ist der Orthopäde resp. Orthoger einerseits genauso überfordert, wie andererseits unterfordert. Denn er hat es schließlich nicht gelernt, sich mit dem von der langen Wartezeit herrührenden Verdruss seiner Patienten auseinanderzusetzen - und der Schwermut und dem Jammer des fortgeschrittenen Alters sowieso nicht. Dann kriegt auch er schlechte Laune, kläfft seine Helferinnen an und verweist die hochbetagten Damen und Herren in die Räumlichkeiten für fernöstliche Nadelbehandlung und Stoß(!)wellentherapie. Hatte ihm sein Röntgengerät jedoch einen aufschlussreichen Befund offenbart, ist er wenigstens stolz, dem Patienten oder seinem weiblichen Pendant widerspruchsfrei erklären zu können, dass seine/ihre Beschwerden vom Verschleiß der Wirbelsäule ausgehen, also quasi vom Alter kommen. Und auch den Patienten freut’s, dass nun endlich herausgefunden werden konnte, was die tieferen Ursachen seiner/ihrer Altersbeschwerden sind: Verbiegungen und Verkalkungen. Trotz dieser typischen Win-Win-Situation kann der Orthoger damit nicht glücklich werden und seinen quälenden Unmut überwinden. So ruft er seinen Chef im Berufsverband an. Dort versammeln sich die Orthogeren zu einer Protestveranstaltung und verlangen von Prof. Lauterbach endlich eine Aufbesserung ihres kargen Salärs. Und der? Der wird’s schon richten, warten Sie’s ab. (Oder fragen Sie einfach nach, in Ihrem orthopädischen Versorgungszentrum Medi-W-tal III (jetzt umgezogen in die FriedrichEbert-Str. 128 a). 1 JAHR ITALIEN 25 EURO // FÖRDER-ABO 50 EURO // SUPER-FÖRDER-ABO 100 EURO // EINFACH ÜBERWEISEN AN: ITALIEN-MAGAZIN, STADTSPARKASSE WUPPERTAL // IBAN: DE46 3305 0000 0000 9048 47 Der Orthopäde betreibt Orthopädie. Und das ist in erster Linie eine Ortho-Pädie. Ortho, das wissen wir vom Griechen, bedeutet „gerade“. Und unter Pädie versteht man, abgeleitet vom griechischen paidos (Kind), so etwas wie die Unterweisung des Nachwuchses - und ganz allgemein des Menschen – im Denken des Wesentlichen und in der Ausbildung von Vortrefflichkeit. Ergo ist der Orthopäde ein Gerade-Erzieher. Angesichts des Befundes, dass sich in seinem Biotop vorwiegend ältere Personen aufhalten, müsste er eigentlich Orthoger heißen (geron, griech. = alt) und sein Gebiet Orthogerie. Wie auch immer, in seinem Habitat kleidet sich der Orthopäde in einen weißen Kittel, trägt weiße Schuhe und, nicht überraschend, auch weiße Hosen. Dadurch erkennt man ihn als Arzt. Denn auf die unter den Doktoren übliche Attitüde, als Erkennungszeichen deutlich sichtbar ein Hörrohr („Stethoskop“) mit sich zu tragen (neuerdings auch, sich dieses um den Nacken zu legen), muss der Orthopäde verzichten – für ihn gibt es nichts abzuhören. Er trägt lediglich die Aura unbedingter Fach-Autorität vor sich her und gebietet als Befehlshaber über sein Fachpersonal. Das kriegt davon schlechte Laune und blafft am Telefon den terminerheischenden Anrufer an: „Waaas ? Einen Termin ? Einen Termin gibt es erst in 12 Wochen“, heißt es. Und so lange müsse man sich eben mit Geduld und Ibuprofen wappnen. Dann ist es endlich so weit mit dem Termin. Die Symptome des deformierten Kniegelenkes und des Ärgers sind zwar verraucht, haben sich unterdessen jedoch in eine sauertöpfische Stimmung transformiert. Diese wird nun dem Ortho-Spezi vorgetragen. Der sitzt vor einem Computer, hat die Systemoberfläche, nicht aber sein mimosenhaftes Gegenüber im Blick und hackt mit spitzen Fingern dessen Klagen in die Tastatur. Schnell wird noch geröntgt und computer- bzw. magnetresonanztomographiert. Und dann steht die Diagnose fest. Nun hat der vortreffliche Knochenrichter in jahrelanger Kleinarbeit zwar gelernt, wie man verbogene Gliedmaßen or-

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