OnlineItalien 03.2024

ITALIEN 9 Das Kreuz mit dem Rätsel Na da schau an, sowas kommt ja auch nicht alle Tage vor. Mann öffnet die Tür des Glasbierfachgeschäftes und sieht nichts als leere Tische mit leeren Aschenbechern. Einsam steht Maria, die diensttuende Tresenkraft, hinter demselben. Somit eine gute Zeit für ein gemütliches Pläuschchen. Bis – ja bis – Heike M. den Raum betritt, sich neben den ITALIEN-Korrespondenten hockt, ein Kreuzworträtsel aus ihrem Schminktäschchen fummelt und damit der Gemütlichkeit ein Ende bereitet. Oh Schreck: Ein Kreuzworträtsel! Jahrzehnte lang versunkene Erinnerungen werden wach! Auch die Mutter des Berichterstatters war eine begeisterte Anhängerin des Anfang der 1920er Jahre erstmals in deutschen Zeitungen erschienenen kastenförmigen Buchstabenrätsels mit einem scheinbar intellektuellen Anspruch. Ganze Hefte davon lagen überall im Haus herum und damit verbunden unzählige Fragen. Also schön die Klappe halten. Denkste, da weht schon die erste Frage herüber. „Warum fragst Du nicht Dein Wandertelefon? Das machen doch heute alle so“. „Oh nein, das lösen wir hier immer alle gemeinsam am Tresen“. Zustimmendes Kopfnicken der übrigen, unterdessen Eingetroffenen. Eine Weile herrscht nun zunächst Ruhe vor der verdammten Rätselei. Bis eine für das Rätselknacken zentrale Frage auftaucht: Lessings Bibliotheksstandort; beginnend mit einem W. „Das ist eine Frage für Otto“, feixt der gesamte Tresen. Nun denn. Dann wollen wir der Sache doch mal schnell wieder ein Ende setzen, denkt sich der Hauptstadtkorrespondent von ITALIEN, dem rätselhaften Monatsheftchen ohne Kreuzworträtsel. Die erste Dämlichkeit, die ihm bei einer Stadt mit W einfällt, ist Wolfenbüttel. Was sollte der große deutsche Dichter schon mit so einem öden Kaff in Niedersachsen zu tun haben? Also raus mit Wolfenbüttel. „Ja genau“ und „Stimmt“ tönt es aus der übrigen Tresengemeinde. Wieso wissen die plötzlich, was der ITALIEN-Mann erst Tage später feststellt? Nämlich dass Lessing 1770 ausgerechnet dort eine herzogliche Bibliothek übernahm und dann 1776 dort auch noch heiratete. Die schöne destruktive Idee ist jedenfalls krachend gescheitert. Wolfenbüttel passt und Heike kann in Windeseile ihr Rätsel proppenstolz beenden. Bleibt jetzt nur noch aus dem dabei entstandenen Buchstabensalat ein verständliches Wort zu bilden.Diese Aufgabe fällt dem bayerischen Mathe-Künstler Josef T. zu. Schneller als man seine Zigarettenkippe ausdrücken kann, formt der aus U-P-U-PG-N-L und K eine KUPPLUNG. Und schafft sich damit nun ein eigenes Problem. Schließlich hat so ein Ding nix mit Dreisätzen, Logarithmen, Primzahlen oder artverwandten Mathematik-Rätseln zu tun. Und so muss Josef sich ratlos deren Funktion erklären lassen. Unterdessen krost Heike M. bereits das nächste Kreuzworträtsel aus ihrem Frischhaltebeutel. Nun reicht es aber. Möglicherweise folgt dem „Kreuzworträtselmord“ in der Kriminalgeschichte der ehemaligen DDR hier sonst gleich noch ein gesamtdeutscher. Allerdings wird diesmal keine neunmonatige Ermittlungsarbeit und die Auswertung von Schriftproben aus knapp 552.000 Kreuzworträtseln nötig werden. Also lassen wir es lieber, Ohne Kreuzworträtselei ist Heike eigentlich ja irgendwie ein ganz nettes Mädchen. Maria zahlen und nix wie raus aus der verflixten Rätselbude.

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