OnlineItalien 03.2024

ITALIEN 7 Friedrich-Engels-Allee 185 • 42285Wuppertal-Unterbarmen geöffnet: Mo.-Sa. 17-23 Uhr • So. Ruhetag • Küche schließt um 22.30 Uhr Noch 259 Tage! Glassholes and Apple Visionaries: Chaos in den Straßen von Manhattan Als Kojak seine Einsätze in Manhattan fuhr, hingen Münztelefone an den Straßenecken, die Post verteilte Briefe und das Internet hatte wohl noch eine negative Kinderschuhgröße. Immerhin: Es gab schon elektronische Datenverarbeitung, Erfindungslust und -laune bei Ingenieuren im Silicon Valley und es gibt wohl schon seit Ur- und Frühgeschichte das menschliche Bedürfnis, sich die wirkliche Welt zu einer besseren zusammenzusetzen, und wenn das nicht geht, zusammenzuphantasieren. Einer der ersten Schritte auf dem Weg waren digitale Assistenzsysteme, die einem beim Einkauf auf dem Markt in Ländern helfen konnten, deren Landessprache man nicht mächtig war, oder eben das Navi, damit man sich nicht verfranzt. Die Firma Google hatte 2014 Brillen auf den Markt gebracht, die dem Träger alle möglichen Informationen in das Sichtfeld einblenden können, und hat damit den digitalen Assistenten auf ein neues Niveau gehoben. Seither konnte man sich nicht mehr sicher sein, ob ein Google Glass tragendes Gegenüber sich nur den Namen der Lieblingssängerin des Gesprächspartners einblenden ließ, um sich einschmeicheln zu können, oder ob der Brillenträger nicht doch nebenbei Pornos schaute. Das Misstrauen überwog offensichtlich, denn Google Glass-Trägerinnen und -Träger gelten seit 2014 als GL-Assholes, ausgesprochene Glassholes. Zehn Jahre später hat nun die Firma Apple eine „Apple Vision“ getaufte Skibrille vorgestellt, die den Träger in eine andere, ganz nach seinen eigenen Vorstellungen gebaute Welt eintaucht, die dann auch –wie ein modernes Videospiel – interaktiv auf Signale der Trägerin reagieren soll, so jedenfalls steht es im Werbeprospekt. Im Werbeprospekt steht auch, dass Trägerinnen und Träger dieser Skibrille keine Glassholes seien, sondern Apple Visionaries, auf Deutsch: Apfelvisionäre. Arschloch schlecht, Visionär gut, so die Überlegung der Werbeabteilung bei Apple. Weil Apple jetzt mit der Apple Vision Pro noch eine besonders teure und noch deutlich visionärere Skibrille auf den Markt geworfen hat, gab es in Manhattan vor den Apple Stores ellenlange Schlangen am Eingang und am jeweiligen Ausgang schnell einen Riesentumult, weil natürlich die Visionärinnen und Visionäre gleich ihre geheimsten Phantasien erleben wollten. Sie hatten ja schließlich mit Zubehör und Mehrwertsteuern gut $4.000 hingeblättert und warum sollten sie dann nicht auch ihrem Vorgesetzten virtuelle eine schallende Ohrfeige verpassen, in einer Speed Metall Band die Gitarre spielen, wahlweise mit Brad Pitt oder Julia Roberts rumknutschen und dergleichen mehr. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, war weitgehend die Devise. Trotz aller Virtualität kommt es immer noch zu Rückkopplungen mit der wirklichen Welt und wenn diese nicht bei den Apfelvisionären mit eingeblendet bleibt, kann es in so verdichteten städtischen Umfeldern wie den Gehsteigen an Ausgängen von Apple Stores durchaus zu Virtualitäts-Kollisionen kommen. Wie bei diesen Noise Cancelling Kopfhörern gibt es bei der Apple Vision den Knopf, mit dem man die Außenwelt völlig ausblenden kann. Ist sie bei der Geräuschunterdrückung ausgeblendet, endet man statistisch deutlich häufiger unter der Straßenbahn, als wenn man die Außenwelt noch ein wenig wahrnimmt. Sehr ähnlich dürften die Auswirkungen des Knopfes auch bei der Skibrille von Apple sein, denn was sich da auf den Gehsteigen an Ausgängen von Apple Stores zurzeit abspielt, erinnert weniger an die wunderbare Welt der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten als vielmehr an Gemälde von Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel. Deren Welten lassen sich übrigens leicht in die Apple Vision integrieren und mit Bildern aus Kojaks Einsätzen in Manhattan kombinieren.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDk1NjA=